DASKIND

Monologausschnitt nach Mariella Mehr, Uraufführung

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test mariella„Hat keinen Namen, Daskind. Wird Daskind genannt. Oder Kleinerbub, obwohl es ein Mädchen ist. Wenn den Frauen im Dorf danach zumute ist, wird es Kleinerbub genannt, oder Kleinerfratz, zärtlich. Auch Frecherfratz, wenn Daskind Bedürfnisse hat, oder Saumädchen, Hürchen, Dreckigerbalg. Hat keinen Namen, Daskind. Darf nicht heißen, darf niemals heißen. Wer sagt schon Saumarie, Hurenvreni, Dreckrosi. Gewiss könnte man das sagen, aber es ist zu aufwendig, zu umständlich sich des Namens des Kindes zu erinnern. Also, Daskind!“

Der Monolog befasst sich mit dem Fortpflanzen von Gewalt: dem Weiterwachsen der Gewalt in einem Körper, in den immer wieder mit Gewalt eingebrochen wurde. Die Gewalt hat sich eingenistet, festgefressen, ist angeschwollen und bahnt sich schließlich wieder unaufhaltsam einen Weg nach draußen.
Gespielt von der Schauspielerin Nadine Bohse bewegt sich „Daskind“ durch die Räume und konfrontiert so den Zuschauer direkt mit der Wort- und Bildgewalt des Textes. Anders als im Theater besteht keine Möglichkeit, sich als Ausschließlich-Betrachtender in das schützende Dunkel des Zuschauerraumes zu verkriechen. Man kann sich der Flut der kaputten, fast amputierten Sätze nicht widersetzen und der Blick auf eine verstörte und aber eben auch verstörende Seele bleibt unmittelbar und unverstellt.

Die  Schriftstellerin Mariella Mehr, geb. 1947, die als Angehörige des fahrenden Volkes der Jenischen in der Schweiz als Kind von ihrer Familie zwangsentfremdet wurde und in Heimen, Erziehungsanstalten und Psychiatrien aufwachsen musste, wurde selber Opfer zahlreicher gewalttätiger Maßnahmen und Übergriffe durch Ärzte, Pflegeeltern und rechten Schweizer Gruppen. Nach vielen Jahren im Exil in der Toskana lebt sie heute wieder in der Schweiz.

Regie: Katja Lillih Leinenweber
Mit: Nadine Bohse

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Die Premiere fand im Juli 2009 im Rahmen des Kunstprojektes TATORT KOMTUREI in TOBEL (CH) statt.

Der Name „Tatort Komturei“ war gleichzeitig Programm und Ort des Geschehens. Die unterschiedlichen Künstler und Performer setzten sich mit dem Thema Gewalt auseinander und das an einem Ort, der in seiner Geschichte oft mit Gewalt konfrontiert war. Die Zellen der ehemaligen Strafanstalt wurden von den Akteuren zu „Kunstzellen“ umgenutzt. Ziel war es, die Ohnmacht gegenüber der allgegenwärtigen, sinnlosen Gewalt in einen produktiven, gestalterischen Prozess zu überführen. Die Künstler lebten und arbeiten in den Wochen vor der Vernissage/Premiere vor Ort in der Komturei Tobel.

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PRESSESTIMMEN



Thurgauer Zeitung vom 20.07.2009

„…Die Arbeiten der Ausstellung –,Installationen, Audio- und Video-Dokumente, Fotografien, Gemälde und ein szenisches Spiel – sind in der Hinsicht interdisziplinär, dass sie sich formal unterscheiden und inhaltlich verschieden fokussieren. So roh wie Gewalt sein kann, so potentiell und erfrischend kommt die Zusammenstellung der Arbeiten daher, so feinsinnig hat die Zuordnung auf die Räume stattgefunden.“

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Thurgauer Zeitung vom 27.07.2009

„Beeindruckend, wie vielfältig und ideenreich sich die Positionen in der Ausstellung «Tatort Komturei» geben.[…] Die gut zwei Dutzend Positionen aus der Ostschweiz und Deutschland zeugen von einer intensiven Auseinandersetzung mit den vorgefundenen Räumen und der gefühlten Geschichte, andere abstrahieren Aspekte der Gewalt wie Kindsmissbrauch, die besten verbinden beides.“

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Wiler Zeitung vom 27.07.2009  „…Als Resultat sind 28 aufsehenerregende Arbeiten entstanden.“